Da lebte ein kleines taubes Mädchen in der Mehlgasse (Altstadt Speyer), ca. 6 Jahre alt.

In der Altstadt konnte sie selbständig einkaufen, die kleinen Läden waren in der Nähe und die Leute wussten, dass sie taub war. Sie hatte mithilfe der Zettelchen ihrer Mutter keine Probleme, das Gewünschte zu bekommen beim Einkaufen.

Dann passierte folgendes:

Sie war alleine unterwegs zu einer Bäckerei in der Nähe, um dort Süßigkeiten zu kaufen. Sie bekam von ihrer Mutter 2 DM, damit durfte sie für sich und ihre jüngere Schwester Süßigkeiten kaufen.

Also machte sie sich voller Freude auf den Weg zur Bäckerei. In der Bäckerei angekommen, wartete sie, bis sie an die Reihe kam. Während sie wartete, stand neben ihr ein anderes Mädchen. Dieses zeigte ihr ihr 50-Pfennig und wollte mit dem tauben Mädchen das Geldstück tauschen.

Das taube Mädchen schüttelte den Kopf, sie wollte nicht tauschen. Die 2 DM war ja höher wert als der 50 Pfennig. Sie dachte sich dabei: „Ich bin taub, aber nicht dumm!“

Als sie an der Reihe war, zeigte sie mit dem Finger auf die süßen Lippenstifte, an denen man lutschen konnte und auf ihr 2 DM-Stück. Sie bekam eine ganze (kleine) Papiertüte voll davon.

Voller Freude machte sie sich nun auf den Heimweg. Sie freute sich, auch ihrer Schwester damit eine Freude zu bereiten und hielt die Tüte fest an sich gepresst. Sie legte grad die halbe Wegstrecke zurück, als sie plötzlich von hinten an den Haaren gezogen wurde…

Aus den seitlichen Augenwinkeln konnte sie gerade noch erhaschen, dass es dieses Mädchen mit dem 50-Pfennig in der Bäckerei war. Sie begriff, dass das Mädchen böse und eifersüchtig war. Sie wehrte sich dagegen und hielt die Tüte noch mehr an sich gepresst, weil das Mädchen ihr die Tüte entreißen wollte. Inmitten des Kampfes, in dem sie von dem Mädchen hinten umklammert wurde, versuchte sie, der Tüte ein Lippenstift zu nehmen und dem Mädchen in die Hand zu drücken, damit sie ihr nicht noch mehr weh tat.

Unter Schmerz wegen Haare-Reißerei, Knufferei und Treterei von hinten gelang ihr dies mit großer Mühe und das Mädchen bekam den süßen Lippenstift in die Hand. Sofort ließ dieses Mädchen von dem tauben Mädchen ab und hielt triumphierend den Lippenstift hoch, während sie abhaute.

Als dieser unfairer Kampf zu Ende war, fing sie an zu weinen, während sie weiter heimlief. Als sie dann in die Mehlgasse hinunter kam, weinte und schluchzte sie vor sich hin, weil ihr weh getan wurde.

Dann bemerkte sie auf einmal, dass die Mehlgasse-Nachbarn alle sie anstarrten. Da hatte sie schon 1 Drittel der Mehlgasse hinter sich. Sie wunderte sich sehr, wieso die Leute sie so anstarrten und fragte sich, ob das nur wegen ihrem Weinen sei?? Sie hielt sich die Tüte krampfhaft mit einer Hand fest und mit der anderen Hand gebärdete sie wild und heftig, dass sie überfallen wurde.

Natürlich haben die Nachbarn sie nicht verstanden. Ein Nachbar zeigte mit dem Finger über ihren Kopf. Sie folgte (immer noch weinend) seinem Finger und drehte sich um.

Was sie da zu sehen bekam, erschrak sie furchtbar. Hinter ihr stand ein Auto so nahe, dass sie die Scheinwerfer aus unmittelbarer Nähe betrachten konnte. Das Auto fuhr im Schneckentempo hinter ihr her. Da begriff sie in dem Moment, dass die Leute sie nur deshalb anstarrten, weil der Autofahrer bestimmt gehupt hatte.

Sie lief mit großem Schreck von der Gassenmitte weg hin zu den Hauswänden, drückte sich entlang den Hauswänden, bis sie endlich daheim war.

Sie war so fix und fertig von dem Überfall und dann noch der Schreck mit dem Auto. Und das nur, weil sie taub ist.

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Das war meine Kindheitserinnerung… 🙂

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