Fortsetzung…
J. Göller: Warst du schon immer gehörlos?
Walter Krieg:
Nein, ich bin hörend auf die Welt gekommen. Ich wurde im Jahr 1924 krank durch eine schlimme Kinderlähmung-Seuche. Diese Seuche war sehr schlimm, es starben ca. 400 Kinder und es gab nur ca. 20 bis 30 Überlebende. Ich gehörte zu den Überlebenden. Als ich wieder gesund wurde, konnte ich nicht mehr hören, nur noch auf einem Ohr dumpfe Geräusche.
J. Göller: Wie war es für dich, in die Gehörlosen-Schule nach Frankenthal zu fahren? Es gab damals noch keine Schulbusse? Und was hast du nach der Schule gemacht?
Walter Krieg:
Ich durfte vorzeitig in die Schule gehen, weil ich ein großer Bub war. Am 12.09.1929 wurde ich 6 Jahre alt und am 13.09.1929 ging ich in die Schule. Ich ging 10 Jahre lang in die Gehörlosenschule in Frankenthal. Das stimmt, es gab noch keine Schulbusse. Während der Schulzeit fuhr ich mit dem Zug zur Schule und wieder heim. Im Sommer fuhr ich mit dem Rad von Speyer nach Frankenthal zur Schule und zurück.
Im Dezember 1938 aus der Schule entlassen, begann ich eine vierjährige Lehre zum Schreiner. 1944 war ich dann Schreiner-Geselle.
J. Göller: Du bist von Beruf Schreiner und du hast noch über das Rentenalter hinaus weiter gearbeitet als Schreiner?
Walter Krieg:
Ja! Ich arbeitete im Alter von 73 bis 78 Jahren ehrenamtlich in der Hobbywerkstatt. Zusammen mit 6 – 7 hörenden Kollegen. Es war eine sehr interessante Aufgabe für mich.
J. Göller: Was denkst du über die Zukunft für die Gehörlosen?
Walter Krieg:
Die Zukunft ist unsicher. Der Euro wird immer teurer (ich habe bis jetzt 3 verschiedene Währungen erlebt: Reichsmark, Deutsche Mark und Euro). Der Schwerbehindertenausweis wird vielleicht abgeschafft (?). Dann haben Gehörlose ein schwereres Leben. Weil sie immer soviel fahren müssen, da gehörlose Freunde weit verstreut im Land leben. Die Vielfahrerei, egal ob per Auto oder per Zug, ist sehr teuer geworden.
J. Göller: Hast du einen guten Rat für uns Gehörlose? Du hast ja schon soviel erlebt und erfahren in deinem langen Leben.
Walter Krieg:
Immer weitermachen! Nicht aufgeben!
J. Göller: Ich danke dir, Walter Krieg, für dieses Interview!
(aus „Die Rheinpfalz vom 05. November 2004)