Lieblingsgeräusch einer Gehörlosen als CI-Trägerin
Als ich mein CI bekommen habe, war ich schon 32 Jahre alt. Irgendwie habe ich da schon bereits einen Dickschädel, so dass mein Hörgedächtnis so gut wie gar nicht vorhanden war. Das liegt auch an meiner Vorgeschichte.
Denn ich bin gehörlos auf die Welt gekommen und habe mit den „Steinzeit“-Hörgeräten die Sprache nicht verstehen gelernt, ebenso auch nicht mit drauffolgenden Hörgeräten. Da hörte ich zwar Geräusche und Sprache, aber ich konnte einfach nicht heraushören, was genau es war. Was ich hörte, war eher ein Mischmasch, alles zusammengewürfelt ins Ohr hineingepresst. Das Problem bei mir war und ist: Wie kann man einer Gehörlosen sagen, wie man hört? Bei der Einstellung der Hörgeräte musste ich immer sagen, ab wann ich bestimmte Töne höre. Aber das war auch schon alles mit den Tönen hören. Sprachverständigung beim Hörgeräte-Einstellen – das war bei mir einfach nicht im Programm drin.
Mit 32 Jahren ließ ich mich mit dem Cochlea Implantat versorgen. Da tat ich es mir nicht leicht. Auch da hatte ich bei der Einstellung bzw. Programmierung des Cochlea Implantat-Sprachprozessors meine große Schwierigkeiten, zu erklären, was ich beim Hören wahrnehme. Hier wiederholte sich die Frage, wie man einer Gehörlosen das Hören beschreiben kann. Die Programmierer, die mein Hören mittels Cochlea Implantates einstellten, sind ja allesamt Hörende. Ich hingegen bin von Geburt an gehörlos und habe das „richtige Hören mit Sprachverständnis“ nie gekannt. Darüber habe ich schon mal berichtet (siehe Link: Hören löst Explosion im Kopf aus)
Meine einzige Kommunikationsmöglichkeit unter den Hörenden ist und bleibt das Lippenlesen.
Zum Glück habe ich dank einem ertaubten Bekannten nun doch einen Zugang zum Hören gefunden. Er ließ mir sein Hörprogramm übertragen und seitdem weiß ich nun viel, viel besser und zu einem großen Ansatz, was Hören heißt.
Trotzdem stellte ich fest, dass mein Hörgedächtnis so ziemlich „verkümmert“ ist, denn ich brauche sehr lange, bis ich mir überhaupt vom Hören her Geräusche merken und wieder erkennen kann. Mich stört es jedoch nicht, da ich nach wie vor beim Lippenlesen bleibe in der Kommunikation mit den Hörenden. Im Laufe der Zeit merkte ich für mich selbst, dass ich mir die Geräusche besser merken kann als die Sprache.
Bei der Sprache tue ich mir richtig schwer. Das ist so, wie wenn ein Deutscher plötzlich nur noch chinesisch hört, aber deren Sprache nicht versteht, weil er eben die Sprache nicht kennt. Die Sprache ist einfach zu komplex für mich.
Ich wurde gefragt, was mein Lieblingsgeräusch ist – nach vielen Monaten Hören „üben“ im Alltag hörte ich plötzlich etwas, was ich als Taube nie hörte, und so auch noch nicht mal mit meinem Körper wahrnahm – was mich sooo faszinierte und mir immer wieder aufs Neue gefällt:
Ein heller und sehr klarer Klang, der mich so entzückte: Pferdehufe auf Asphalt – das ist mein persönlicher Lieblingsgeräusch als CI-Trägerin.
Welches Lieblingsgeräusch, oder Lieblingsmusik habt Ihr?
Eure Gehörlosbloggerin
Gänsehaut-Gefühl, liebe Judith,
denn auch ich liebe das Geräusch von Pferdehufen auf Asphalt… das ist irgendwie Abenteuer für die Ohren.
Danke für Deine wunderbaren Beiträge und dass Du Dein Empfinden so teilst – das ist schon besonders.
Oft denke ich an Dich, wenn ich mal von einem Geräusch (z. B. der neue Haus-Bau in der Nachbarschaft) genervt bin… dann denke ich daran, wie wertvoll es ist, dass ich es überhaupt höre.
Also danke, liebe Judith, für Dein Teilen.
Alles Liebe und Gute zu Dir,
die Laura aus dem schönen Chiemgau, wo es einige Pferde-Gespanne gibt 🙂
Liebe Laura,
das hast du richtig schön beschrieben mit dem Geräusch von Pferdehufen auf Asphalt:
„Abenteuer für die Ohren“.
Vielen Dank! 🙂
Judith