Das Geheimnis der Zunge wird offenbart
Bei der Sprachtherapie lernen die Gehörlosen, wie die Zunge zu halten oder zu formen ist, damit die Buchstaben und Wörter richtig ausgesprochen werden. Beim Buchstaben L und N beispielsweise hat die Zunge die gleiche Stellung, jedoch muss die Zunge bei einem L spitz zum Gaumen hinter den oberen Zähnen gehalten werden, während der Buchstabe N mit der Zunge in der gleichen Stellung breit hinter den oberen Zähnen angelegt wird.
Der Vorteil bei Hörenden ist, dass sie aufgrund des Hörens die Zungenstellung korrigieren können. Die Gehörlosen hingegen müssen die ganzen Zungenstellungen bei den jeweiligen Buchstaben auswendig lernen, um korrekt aussprechen zu können.
Diese ganzen Zungenstellungen für die richtige Aussprache der Worte war bereits dem Telefon-Erfinder Alexander Graham Bell bekannt. Viele kennen ihn nur als Telefon-Erfinder, dabei war er ein Sprachtherapeut für Gehörlose und hatte selbst eine gehörlose Ehefrau. Schon sein Vater Alexander Melville Bell, ebenfalls Sprachtherapeut für Gehörlose, hat die Zunge als Sprechinstrument für Gehörlose bildlich dargestellt und als „Visible Speech“-System eingeführt, was durch seinen Sohn weitergeführt wurde.
(Bildquelle: Deafness – Visible-Speech and Alexander Graham Bell)
Siehe auch Wikipedia-Link: Visible Speech – Alexander Graham Bell
Es klingt zuerst wie eine Ironie, dass er das Telefon erfunden hat, mit dem die Gehörlosen, darunter seine eigene gehörlose Ehefrau, vorerst nichts anfangen konnten. Aber letztendlich hat diese ganze Erfindung um das Telefon doch letztlich den Hörbehinderten einen großen Segen gebracht und zwar das Internet. Eine tolle Weiterentwicklung durch das Telefon, durch die wir Hörbehinderte heute unabhängig kommunizieren können.
Inzwischen gibt es so einige Röntgenfilme, die die Zungenhaltung beim Sprechen oder Singen offenbaren. Ich stieß kürzlich auf diese MRT-Aufnahme des Bariton-Sängers Michael Volle mit der Wagner-Arie „Lied an den Abendstern“:
Weitere Informationen gibt es hier: MRT-Aufnahme des Sängers Michael Volle
Es war für mich spannend, wie die Zunge beim Singen bewegt wird. Diese MRT-Aufnahme ist schon sehr gewöhnungsbedürftig!
Ich weiß allerdings nach diesem Video immer noch nicht, wie welche Wörter beim Singen so mit der Zunge gesungen werden. Die Zunge an sich ist schon unglaublich mit all ihren Fähigkeiten.
Solche Aufnahmen alleine helfen meiner persönlichen Meinung nach nicht richtig weiter. Es wird ja nur die Zunge gezeigt.
Wie die Töne erzeugt werden, dazu sollten auch weitere Aufnahmen gemacht werden, wie z.B. richtige Atmung beim Sprechen, das Einbinden des Zwerchfelles beim Sprechen, oder aus der Brusthöhe. Welche Wörter werden tief aus dem Bauch heraus gesprochen, welche aus der Brusthöhe oder aus dem Hals heraus? Welche Silben werden betont? Die erste Silbe? Die letzte Silbe? Wird das Vokal in dem einem Wort kurz oder lang betont? Hoch oder tief betont?
Das alles müssen wir Hörgeschädigte uns merken beim Sprechen.
Diese Röntgen-Aufnahme ist trotzdem so faszinierend. Da sieht man die komplexe geniale Natur, woraus der Mensch besteht, und wie der Mensch das mit seinem Gehirn steuern kann.
Gibt es denn eine Studie dazu, wie das Gehirn eines Gehörlosen arbeitet, wenn der Gehörlose beim Sprechen all seine auswendig gelernten „zungentechnischen“ sowie Sprachtechnik-Kenntnisse umsetzt?
Eure Gehörlosbloggerin