Als junge Erwachsene habe ich viel über meine taube Wut im Bauch nachgedacht. Ebenso auch über die Aggressionen (kurz gesagt: Wut) bei anderen Hörbehinderten… Jedes Mal, wenn ein Hörbehinderter anfing zu rebellieren oder alles runterzuschlucken und aufzugeben, erkannte ich mich selbst darin wieder.

Es ist einfach der Frust, dass man aufgrund der Hörbehinderung nicht an die Informationen rankommt. Ja, sogar immer den Informationen hinterherlaufen muss. Die Hörenden haben die Wahl, sich die Informationen zu holen. Wir Hörbehinderten haben diese Wahl nicht.

Als Hörbehinderte ist man einfach ausgeschlossen. Es ist daher kein Wunder, wenn der Frust und die Aggressionen dadurch durchbrechen, sei es in Form einer Rebellion (Kampf) oder zum größten Teil in Form der Resignation (sich selbst aufgeben).

Es ist eben nicht einfach für Hörbehinderte/Hörgeschädigte:

– Ausgeschlossen werden mitten unter den Menschen
– Vereinsamung, Isolation
– Keine Wahl beim Aufnehmen der Informationen, die Abhängigkeit von anderen wird überdeutlich
– Selbstkontrolle durch eigene Stimme beschränkt oder gar nicht vorhanden
– die feinen Frequenzen, die die Informationen beinhalten, kommen nicht an (die Hörgeräte und die CIs nehmen diese Frequenzen nicht auf)
– Kampf um jedes Wort
– Missverständnisse kommen häufiger vor
– Emotionen werden sofort über die Stimme weitergegeben (wenn ich anfing, zornig zu werden, wurde meine Stimme sofort ganz piepsig, ohne dass ich darüber kontrollieren konnte, weil mir die Stimme als Anhaltspunkt fehlte)

Daher ist es kein Wunder, wenn die Hörbehinderten sich aufgrund des fehlenden Gehörs „daneben benehmen“ (aus der Sicht der Hörenden) und im Vergleich zu Hörenden immer zurückbleiben oder hinterher hinken, wenn es um die Informationen geht.

Die ganze Tragweite können die Hörenden überhaupt nicht nachvollziehen, erst, wenn sie selber betroffen sind, sei es durch Hörsturz, Schlaganfall, Hörverlust durch einen Unfall, altersbedingte Ertaubung…

Liebe Hörende, stellt euch mal eine GANZE Woche vor – 7 Tage lang – :
OHNE Telefonate,
OHNE Untertitel beim Fernsehen,
OHNE Radio und
total eingeschränkt in der Kommunikation mit anderen Menschen…

Ist dies ein Vergnügen?

Könnt Ihr vielleicht nun „die taube Wut“ besser oder wenigstens ansatzweise begreifen im ganzen Leben eines Hörbehinderten?

Damit schließe ich das Thema „Taube Wut im Bauch“ ab.

TEile weiter

  • Hallo Frau Göller, Sie beschreiben das sehr plastisch, mit der Wut im Bauch und ich kann das glaube ich gut nachvollziehen und verstehen. Ich denke, das kann sich ein Hörender kaum vorstellen, was das bedeutet, ein Leben lang in dieser Weise eingeschränkt zu sein. Wenn man, wie durch Ihre Artikel, für das Thema sensibilisiert wird, geht man im Alltag ganz anders mit seinen hörbehinderten Mitmenschen um. Viele Grüße Volkmar Franke

  • Setz einen Hörenden eine Woche unter Gehörlose – natürlich jemanden, der NICHT gebärden kann! Und er wird recht schnell verstehen, wie ausgegrenzt man sich fühlen kann!

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